25.4.18 / Johanneskirche Zürich / Release Concert
Transzendente Poesie begegnet rhythmischer Wucht „Sofienberg Spirits“, das dritte Soloalbum des schweizerischen Pianisten Christoph Stiefel lässt sich ebenso in der Welt der Klassik verankern wie im Jazz, man kann es impressionistisch oder meditativ nennen, als über den Dingen stehend oder tief in ihrem Kern ruhend empfinden. In seinem Solospiel ist Stiefel ganz bei sich, und doch wirkt es, als würde er mit sich selbst als Band verhandeln. Komplexität im Ansatz verwandelt sich bei Stiefel in Einfachheit in der Umsetzung, physische Wucht begegnet auf sehr individuelle Weise transzendenter Poesie. Die Tradition, auf der Stiefel seine Kompositionstechnik aufbaut, nennt sich Isorhythmie und stammt aus dem Spätmittelalter bzw. der Musik der Renaissance. Der Pianist selbst trifft den Nagel auf den Kopf, indem er bei dieser Überlagerung von rhythmischen und melodischen Elementen von einer Illusion von Polyrhythmik spricht. Seine Erfahrungen im Trio und Septet kommen ihm bei der Weiterentwicklung seines isorhythmischen Konzepts ebenso zugute wie seine Arbeit mit elektronischen Instrumenten. Auf „Sofienberg Spirits“ beschränkt er sich aufs (teilweise präparierte) akustische Klavier, und lässt dabei alles Überflüssige weg. Seine Stücke ähneln antiken Torsi, die ihre strukturelle Poesie gerade aus dem Moment der Reduktion empfangen. Da ist nichts, was ihre Vollkommenheit verstellen würde. Stiefel spielt, was er spielen muss. Und er spielt es so, wie er es spielen muss. Seine Kompositionen werden von spontanen Improvisationen kontrastiert, die zwar derselben ästhetischen Haltung entspringen, aber situativ komplett anders gepolt sind. Die Leichtigkeit dieser Stücke triggert wiederum den Fluss der komponierten Tracks. „Sofienberg Spirits“ ist ein Album, das in seiner betörenden Ganzheitlichkeit nichts offen lässt und doch riesengroße Freiräume öffnet, die sich nicht nur über Jahrhunderte erstrecken, sondern der Wahrnehmung des Hörers ungeahnte Perspektiven einräumen. Wolf Kampmann April 2017
https://www.bluechurch.ch/photos/blue-church-events/25-4-18-johanneskirche-zuerich-release-concert
https://www.bluechurch.ch/@@site-logo/logo_bluechurch_001_home copy_resized.png
25.4.18 / Johanneskirche Zürich / Release Concert
Transzendente Poesie begegnet rhythmischer Wucht „Sofienberg Spirits“, das dritte Soloalbum des schweizerischen Pianisten Christoph Stiefel lässt sich ebenso in der Welt der Klassik verankern wie im Jazz, man kann es impressionistisch oder meditativ nennen, als über den Dingen stehend oder tief in ihrem Kern ruhend empfinden. In seinem Solospiel ist Stiefel ganz bei sich, und doch wirkt es, als würde er mit sich selbst als Band verhandeln. Komplexität im Ansatz verwandelt sich bei Stiefel in Einfachheit in der Umsetzung, physische Wucht begegnet auf sehr individuelle Weise transzendenter Poesie. Die Tradition, auf der Stiefel seine Kompositionstechnik aufbaut, nennt sich Isorhythmie und stammt aus dem Spätmittelalter bzw. der Musik der Renaissance. Der Pianist selbst trifft den Nagel auf den Kopf, indem er bei dieser Überlagerung von rhythmischen und melodischen Elementen von einer Illusion von Polyrhythmik spricht. Seine Erfahrungen im Trio und Septet kommen ihm bei der Weiterentwicklung seines isorhythmischen Konzepts ebenso zugute wie seine Arbeit mit elektronischen Instrumenten. Auf „Sofienberg Spirits“ beschränkt er sich aufs (teilweise präparierte) akustische Klavier, und lässt dabei alles Überflüssige weg. Seine Stücke ähneln antiken Torsi, die ihre strukturelle Poesie gerade aus dem Moment der Reduktion empfangen. Da ist nichts, was ihre Vollkommenheit verstellen würde. Stiefel spielt, was er spielen muss. Und er spielt es so, wie er es spielen muss. Seine Kompositionen werden von spontanen Improvisationen kontrastiert, die zwar derselben ästhetischen Haltung entspringen, aber situativ komplett anders gepolt sind. Die Leichtigkeit dieser Stücke triggert wiederum den Fluss der komponierten Tracks. „Sofienberg Spirits“ ist ein Album, das in seiner betörenden Ganzheitlichkeit nichts offen lässt und doch riesengroße Freiräume öffnet, die sich nicht nur über Jahrhunderte erstrecken, sondern der Wahrnehmung des Hörers ungeahnte Perspektiven einräumen. Wolf Kampmann April 2017